Bemerkungen zum Gemeindeentwicklungsplan oder GEP
Bürgerbeteiligung
Gleich der erste Satz macht stutzig, wenn es heißt: dieser Plan "basiert auf einer breit angelegten Entwicklungsdiskussion". Als Anstoß dafür wird der geplante Bau der B 464 und der vom Verband Region Stuttgart angestrebte Bau der neuen S-Bahnlinie S 60 genannt. Weiter "haben ganz wesentlich aktive Bürgerinnen und Bürger in Magstadt diese Diskussion bestritten." Gemeint sind Mitglieder der Agenda 21-Gruppe "Gemeindeentwicklung", Teilnehmer der Workshops (Arbeitsgruppen), Teilnehmer von Bürgerversammlungen. Zwölf Seiten weiter wird das wiederholt. Es ist die Rede von "umfassender Beteiligung der Öffentlichkeit", gewünscht ist "intensive, breit angelegte Bürgerbeteiligung", "alle Bürger" sollen dazu "ermuntert" werden und "bürgernahe Beteiligungsmodelle" sollen gefunden werden. Wie sah die Beteiligung an der Entwicklungsdiskussion wirklich aus?
In einer Bürgerversammlung am 8. November 2005 wurde der fertige Plan vorgestellt, an dessen Entwicklung niemand außer der Verwaltung "beteiligt" war. Am 21. Januar 2006 gab es einen Stadtspaziergang. Die Teilnehmerzahl ist nicht genannt, von einer Massenwanderung hat aber niemand etwas bemerkt oder festgehalten.
Der Gemeinderat wird am 10. und 11. Februar mit dem Werk konfrontiert, das er zuvor noch nicht hatte einsehen können, und es wird von ihm erwartet, dass er dieses "Paket" in diesen zwei Tagen liest, diskutiert, analysiert und was weiß ich noch und dann natürlich absegnet. Eine weitere Bürgerversammlung am 21. März 2006 nutzen 150 Bürger als Informationsmöglichkeit. Dann gab es sogenannte Workshops (Arbeitskreise) zu drei Themen. Teilnehmerzahl zwischen acht und vierzehn, zum Teil waren es dieselben Teilnehmer, also insgesamt können allerhöchstens 30 35 Leute aktiv geworden sein. Als letzte Veranstaltung sei das Fleckenfest vom 15. und 16. Juli 2006 genannt, wo in zwei Schaufenstern am Marktplatz Pläne aufgehängt waren. Die Besucher wollten sicher fast alle zu einem Fest und nicht zu einer Diskussion oder einem "Dialog". Wer so etwas als Bürgerbeteiligung an einer "Entwicklungsdiskussion" versteht, offenbart, dass in Wahrheit entspannte Festlaune oder allgemeiner Jubel von ihr ablenken oder sie ersetzen soll. Darum schließt der Abschnitt 1.1 mit bezeichnenden Worten: "Nur wenn jeder begreift, dass Entscheidungen in einer mitunter mühsamen Abwägung entstanden sind, folgt er dem Planwerk im Gesamten, macht er Zugeständnisse."
Es kommen zu Beteiligungsveranstaltungen (Veröffentlichungen im Mitteilungsblatt sind keine solchen!) ungefähr 200 Leute, aber jeder soll begreifen, dass er es, der Bürger, ist, der Zugeständnisse machen muss, nicht der Urheber und Verfasser des GEP. Der erwartet Zustimmung im Gesamten, bloß keine Änderungsvorschläge oder Kritik oder differenzierende Betrachtung. So sah die umfassende Bürgerbeteiligung aus! Wie soll das zu entwickelnde Magstadt denn nun aussehen? Das erfährt der Leser im Abschnitt 4 des GEP.
Wir lesen: "Magstadt soll künftig bevorzugter Lebensmittelpunkt für Menschen und deren Familien sein, die in Magstadt und den umliegenden Städten und Gemeinden arbeiten, und die mit ihren vielfältigen ehrenamtlichen Aktivitäten die Attraktivität der Gemeinde und ihr Vereinsleben sichern und weiterentwickeln."
Frage: Was ist denn daran neu? Wenn vorhandene vielfältige Aktivitäten offenbar jetzt schon z.B. das Vereinsleben sichern, sehen eben schon heute Menschen in Magstadt ihren "Lebensmittelpunkt".
Wie soll er dann noch zum "bevorzugten" werden?
Wem ziehen diese Menschen denn das künftige Magstadt vor?
Vielleicht dem heutigen Ort mit seinen vielen unansehlichen und verlotterten Ecken?
Die Sprechblase vom "künftig bevorzugten Lebensmittelpunkt" schrumpft also auf den einfachen Wunsch, dass unser Ort schöner werden soll. Das wäre auch ohne Gemeindeentwicklungsentwicklung zu erkenne gewesen.
Weiter liest man: "Magstadt soll seinen dörflichen Charakter bewahren". Umsonst sucht man auf den 48 Seiten des GEP nach einem Hinweis, was denn die dörflichen Merkmale Magstadts heute sein könnten. Früher mag man an die Bauern gedacht haben, die der überwiegende Teil der Bevölkerung waren, aber davon sind doch die meisten Aussiedler geworden. Das Dörfliche bleibt ein Rätsel. Aber beim Weiterlesen stößt man auf den Satz "Magstadt soll keine "Gewerbegemeinde" werden."
Da stutzt man sofort. Keine Gewerbegemeinde? Das war doch Magstadt schon seit langen Zeiten! Handwerk, Fuhrhandwerk samt dazugehörigen Gasthäusern, Weberei, schon früh nicht nur als Heimarbeit, sondern im industriellen Betrieb, Brauereien, Steinbrüche, seit die wachsende Residenzstadt Stuttgart Baumaterial brauchte, und so weiter all das hat über 200 Jahren Magstadt mitgeprägt. Noch der neueste Haushaltsplan der Gemeinde stützt sich auf die nicht unbedeutenden Gewerbesteuern - und nun soll eine Entwicklung dahin führen, dass der Ort "keine Gewerbegemeinde" wird?
Vielleicht führen andere Formulierungen im GEP weiter, z. B. die folgende:
Die Innenentwicklung des Orts und die Ortskernsanierung sollen Vorrang haben vor der Erschließung neuer Wohngebiete am Ortsrand. Es wäre so mühsam und verärgernd, wie die Lektüre des GEP überhaupt, wenn man nun mit allen ständigen Wiederholungen aufzählen wollte, was sich im Ortskern alles ändern soll.
Stichworte müssen genügen:
Baulücken sollen zugebaut werden. (Der Plan gibt zu diesem Punkt indessen zu, dass das nicht in der Hand der Gemeinde liegen kann, wenn diese Baulücken privaten Eigentümern gehören, z. B. als ihr Garten hinterm Haus).
Sowohl bei Neubauvorhaben als auch bei Sanierungen ist eine anspruchsvolle Architektur gewünscht. (Sie wird vom Geld des gesuchten Investors abhängen!)
Alle Bevölkerungsgruppen sollen im Ortskern wohnen, einkaufen, Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Gemeint ist der Bereich vom Edekamarkt zum Rathaus und zum unteren Marktplatz. Das soll die "gute Stube" Magstadts mit "hoher Identifikationswirkung" sein.
Wohnen mit der Idee von verdichteten Blockkonzepten, einkaufen, auf der Flaniermeile Maichinger Straße unterwegs sein, mit dem Fahrrad zur S-Bahnhaltestelle fahren das ist also das "dörfliche" Bild des zukünftigen Magstadt. Das ist kein Dorf, sondern ein Art Straßenbazar umgeben von gedrängten, engstehenden Wohnblöcken wie im alten Orient.
Das Leitbild
Alle Kommunen in Deutschland haben in den letzten Jahren den Auftrag bekommen, Stadt- oder Gemeindeentwicklungspläne aufzustellen für die Zeit bis 2020. Dabei sollen Leitbilder zu einer Gliederung führen und auf Schwerpunkte der Entwicklung hinweisen. Der Duden kennt eine ganze Reihe Wörter, die mit der Silbe Leit- anfangen. Leitartikel, Leitfaden, Leitfossil, Leithammel und Leithund, Leitseil und noch mehr. Jedesmal handelt es sich um etwas, was einmal oder wenige Male vorkommt, und was führen kann. Die Herde hat ein Leittier, das Leitseil für mehrere Leute ist eben eines, Leitartikel können allein vorkommen oder beschränken sich auf drei oder vier.
Im Internet kann man auf die Leitbilder sehr großer Kommunen stoßen mit einer großen Fülle von verschiedenen Aufgaben, da stößt man auch einmal auf zehn Leitbilder zu jeweils zehn getrennten Aufgabenfeldern. Die Stadt Renningen stellt in ihrem Stadtentwicklungsplan drei Leitbilder auf. In Magstadt zählt man 58 ja, achtundfünfzig! Hier hat sich der Urheber des GEP um jegliche Bemühung gedrückt, einen leitenden Gedanken zu formulieren, dem konkretere Teilaufgaben nachzuordnen wären. Die sogenannten Leitbilder sind ein wildes Sammelsurium von vielerlei in Magstadt in der Tat dringenden und überfälligen Verbesserungsvorschlägen.
Z.B. zu schreiben: Schaffung von zusätzlichen Parkierungsmöglichkeiten - das ist kein Leitbild. Bemerkungen zu Radwegen sind es auch nicht; dass ein Discounter dringend nötig ist, ebenso wenig. Der GEP erschlägt den Leser geradezu mit einem Trommelfeuer von Worten wie Struktur, Element, Prozess, Konzept, Funktion, einzeln und in allen möglichen Zusammensetzungen. Das verrät einen gewaltigen Drang nach Abstraktion und wissenschaftlich klingenden Begriffen.
Das schlichte Wort Leitbild zu erfassen und damit ein Sammelsurium von Einfällen oder Anregungen in eine Ordnung zu fügen, die eine rasche und klare Übersicht erlaubt, das ist dem Schöpfer des GEP misslungen.
09.02.2008
Arbeitskreis des BF Magstadt